Die Grenzen der Vernunft. Vorfelder der Begriffsbildung von Platon bis Hans Blumenberg

DIE NORMATIVITÄT DER METAPHORISCHEN ÜBERSCHREITUNG

Dieser Text ist eine Kurzform der Auseinandersetzung, die in dezidierterer Form als Dissertation aus dem Jahr 2013 in dem Buch Zur Normativität der Unbegrifflichkeit. Die Metapher vor und bei Hans Blumenberg vorliegt. Als exegetische Zusammenfassung greift dieser Text die wesentlichen Punkte aus dem Buch auf und bietet einen fundierten Einstieg in den Themenkomplex: Metapher, Normativität, Mythos und Unbegrifflichkeit.

1. Erste Fragen

Zu Beginn der Auseinandersetzung mit der normativen Kraft von Metaphern, drängten sich mir zunächst drei Fragen auf. 

  1. Was macht eine Metapher aus? 
  2. Welche Umstände bedingen oder rechtfertigen den Gebrauch von Metaphern? 
  3. Welche Faktoren bedingen das Verhältnis zwischen Metaphern und dem menschlichen Leben? 

Die Beantwortung der ersten Frage ist eine Voraussetzung zur Beantwortung der beiden anderen, von denen die zweite auf die subtilen Idealisierungen, die normativen Kanalisierungen und Präformationen zielt, die von Metaphern ausgehen, bzw. ihren Gebrauch gefährlich oder wertvoll werden lassen und die dritte auf die Klärung des normativen Konstitutionsgrundes, der jeder Wirkung von Metaphern zugrunde liegt. 

In diesem kurzen Essay möchte ich den normativen Einflussbereich des Metaphorischen, ausgehend von dem sprachspezifischen Verständnis der Metaphorik des Aristoteles` und Paul Ricœurs bis hin zu einem Metaphernverständnis darstellen, bei dem die Metaphorizität, im Sinne Friedrich Nietzsches und Hans Blumenbergs, über den Bereich des Sprachlichen hinausgeht. 

2. Die Anfänge der Metapher

Zunächst möchte ich erklären, wie die Metapher als ein sprachspezifisches Phänomen bei Aristoteles und Paul Ricœur zu verstehen ist. Analysiert man die aristotelische Metapherntheorie, so erweisen sich zu einem Teil die innovativen und wie ich finde interessanten Studien Paul Ricœurs als äusserst hilfreich. Ricœurs Interpretation geht  insofern über die aristotelische Bestimmung hinaus, als er den Relevanzbereich von metaphorischen Ausdrücken nicht auf den Bereich des Poetischen und Rhetorischen beschränkt. 

Unter Berücksichtigung der Differenzen zwischen den drei wissenschaftlichen Hauptgattungen, die Aristoteles in seinem Werk Nikomachische Ethik unterscheidet, das sind die poetischen, die praktischen und die theoretischen Wissenschaften, lassen sich die  funktionalen Divergenzen herausarbeiten, die sich für den Gebrauch von Metaphern jeweils ergeben. Trotz der Divergenzen lassen sich zwischen den Disziplinen aber auch Ähnlichkeiten im Gebrauch von Metaphern nennen. In jeder der eben genannten Disziplinen geht es darum mit Hilfe von Ähnlichkeiten oder Analogien etwas zu verstehen zu geben, oder verständlich werden zu lassen, das sich auf anderem Wege gar nicht, nur schwer oder nur uninteressant (ohne Esprit) sagen lässt. Die Skala der Relevanz von Metaphern reicht dabei von überflüssig bis unvermeidbar. In jeder Disziplin, so lässt sich mit Aristoteles feststellen, erweisen sich metaphorische Ausdrucksweisen als mehr oder weniger nützlich. Der Nutzen hängt dabei von dem spezifischen Ziel einer jeden Wissenschaft ab. Nun zu den Unterschieden des Nutzens von Metaphern zwischen den Disziplinen. 

Aristoteles` Definition und methodische Grundlegung dessen, was in der Antike unter dem Ausdruck Metapher verstanden wurde, erfolgt erstmals in der Poetik. In der Poetik dienen Metaphern primär dem Zweck einer Fiktion Glaubwürdigkeit zu verleihen, in der Rhetorik der Persuasion und in der Philosophie, in der das höchste Ziel die Wahrheit ist, der Wahrheitsfindung oder mit Ricœur gesprochen der Erweiterung des Sinns. 

Nach einer umfassenden Erklärung, welche Regeln einem gelungenen poetischen Werk zugrunde zu liegen haben, beginnt er im zweiten Teil damit, auf die Besonderheiten der poetischen Sprachform und Gedankenführung einzugehen. Dabei wird die Metapher nicht nur zur wichtigsten Art der Aussage, sondern auch für unvermeidbar erklärt. Aristoteles beschreibt sie als eine Übertragung oder Einsetzung eines Wortes durch ein fremdartiges. Der sprachlich initiierte Akt der Übertragung (Epiphora genannt) zum Zwecke der Zusammenführung von heterogenen semantischen Einheiten, findet dabei entweder von der Gattung auf die Art, von der Art auf die Gattung von einer Art auf eine andere oder nach den Regeln der Analogie statt. 

Damit die Epiphora sinnstiftend oder zumindest verständlich, also metaphorisch wirksam sein kann, bedarf es einer gewissen kontextuell determinierten Diaphora (also einer anschlussfähigen Differenz), die es dem Leser oder Hörer ermöglicht die metaphorisch erzeugte semantische Anomalie oder Abweichung, auf sinnvolle oder sinnerweiternde Weise, zu reduzieren. Im Sinne Ricœurs ist die metaphorisch erzeugte Differenz als eine kalkulierte Abweichung im Verhältnis zur Norm des ›gewöhnlichen‹ Wortsinnes (Paul Ricœur: Die lebendige Metapher) zu verstehen. 

Der Grad der Abweichung oder Fremdartigkeit zwischen den tropologisch zusammengeführten Wirklichkeitsbereichen und die Effektivität von metaphorischen Ausdrucksweisen, hängen zum einen von dem semantischen Vorverständnis des Hörers ab und zum anderen vom zugrundeliegenden Kontext, in dem eine Metapher platziert ist. Die kontextuell hervorgehobene Korrelation innerhalb eines metaphorischen Prozesses verweist auf ein neues oder erweitert ein bestehendes Ähnlichkeitsverhältnis zwischen Fremdartigem, das wie ein tertium comparationis zwischen mehr oder weniger unähnlichen Entitäten fungiert. Je grösser das Vermögen des einzelnen Ähnlichkeiten auch zwischen sinnlich Unähnlichem erkennen zu können ist, desto besser wird er Metaphern zu bilden oder zu verstehen wissen.

Metaphorisch erzeugte oder entlarvte Ähnlichkeiten beschränkten sich dabei nicht auf den Bereich sinnlicher Prädikate, sondern umfassen auch dasjenige: was sich ebenso verhält wie ein anderes zu einem anderen (Aristoteles: Metaphysik, Buch V). Somit wird schon bei Aristoteles klar, dass sich die metaphorischen Antriebe zwar auf der Grundlage sinnlicher Gehalte formieren aber nicht mit ihnen gleichzusetzen sind. Aristoteles weist gewissermaßen darauf hin indem er betont, dass die Analogie von der Identität zu unterscheiden ist (vgl. Aristoteles: Metaphysik, Buch V). Was wir im Zusammenhang mit der Metapher Bild nennen, ist nicht immer das Ergebnis, sondern oft nur Bestandteil eines Vorgangs, in dem man sich anschaulicher Elemente bedient, um eine bestimmte Vorstellung herbeizuführen. Die Metapher ist also nicht mit jenen phantasiearmen symbolischen Substituten für die seelischen Widerfahrnisse zu verwechseln, die zum Zwecke der Vergegenwärtigung von bereits konventionalisierten geistigen Inhalten verwendet werden. Der metaphorische Effekt, der durch die semantische Interaktion zwischen den zusammengeführten Begriffen eingeleitet wird, geht über ein Vor-Augen-Führen des Gegebenen hinaus, d.h. er kann aber er muss nicht in einer bildlichen Vorstellung münden. Mit anderen Worten: Die Metapher ist mehr als die Summe ihrer Einzelteile.

Ricœur spricht im Zusammenhang mit der poetischen Funktion von Metaphern auch von einer semantischen Innovation. Der Bereich des metaphorischen umfaßt ihm zufolge drei Stufen und reicht vom Wort – über den Satz – zum Text (oder zum Werk). (Paul Ricœur: Die lebendige Metapher) Ricœur hebt dabei die Überlegenheit der Theorie der Metapher als Aussageform gegenüber der Theorie der Metapher als einer Wortfigur hervor (vgl. ebd.), die er bei Aristoteles vorzufinden meint. Unter Berücksichtigung dieser drei Stufen geht es Ricœur darum zu erklären, wie es dazu kommt, dass eine metaphorische Aussage über die Regeln der etablierten Semantik hinaus zu einer Bereicherung oder Erneuerung des Sinns führen kann. In diesem Zusammenhang hebt er das schöpferische Potential von Metaphern hervor, die er als eine »impertinente« Prädikation mit heuristischer Intention beschreibt, also als eine Aussage die, die gewöhnlichen Kriterien der Angemessenheit oder den Code der Pertinenz in der Anwendung der Prädikate verletzt, (ebd.) um eine neue semantische Konsistenz oder eine neue Beschreibung der Wirklichkeit zu schaffen. 

Soviel zum sprachspezifischen Metaphernbegriff. Bevor ich den Bereich einer auf die Sprache begrenzten Metaphorik verlasse, ist es wichtig einen kurzen Exkurs zu der platonischen Theorie der sprachlichen Substitute zu machen. Wie sich zeigen wird, ist dieser Schritt für das Verständnis der Genealogie der Metapher und ihrer normativen Rolle im Erkenntnisgewinn. 

3. Die Genealogie des Metaphorischen

Der Begriff Metapher ist wesentlich jünger als die Sache, die man seit Aristoteles mit ihm verbindet. Bereits bei Platon wird der Ausdruck Metapher homonym gebraucht. Die begriffsgeschichtliche Relevanz der Metapher und ihre Relevanz im Kontext der blumenbergischen Unbegrifflichkeit, wird von Platon über den Umweg synonymer Definitionen, wie Eikon (Bild) oder Mythos, bereits zum Gegenstand der Überlegung und zum poetischen Hilfsmedium für seine philosophischen Argumentationen. Berücksichtigt man bei der philosophischen Metaphernanalyse die platonische Position, so wird man in zahlreichen Dialogen, auf der inhaltlichen und formalen Ebene derselben, operationale und methodistische Herangehensweisen erkennen, mit denen eine Verminderung des Lern- und Verständnisaufwandes mit den Mitteln der bildlichen Sprache demonstriert wird. Es lässt sich also sagen, dass der Beginn der bewusst und performativ verwendeten Bildsprache und dem, was wir heute im weitesten Sinne als Metapherntheorie bezeichnen und was der späte Blumenberg zu einer Theorie der Unbegrifflichkeit zusammenzufassen versucht hat, in Platons philosophischer Methode ihren Anfang nahm. 

Wenn man zudem berücksichtigt, dass bereits Platon das Kriterium des Vergleichens und das Vermögen Ähnlichkeiten oder Unähnlichkeiten zwischen den Dingen zu erkennen mehrmals als dasjenige hervorhebt, vermittels dem wir die Dinge als solche überhaupt wahrnehmen und auch sprachlich voneinander unterscheiden können (vgl. Platon: Theaitetos), so wird das Fundierungsverhältnis zwischen dem analogisch geprägten Sprach- und Wirklichkeitsverständnis Platons und der analogieaffinen Metapherntheorie des Aristoteles noch deutlicher. Wie Aristoteles, so ist sich bereits Platon im Klaren darüber, dass es Fragen gibt deren Beantwortung einer bildlichen Rede bedürfen. Vgl. (Platon Politeia, Buch VI).

Die Seele, so Platon, setzt das Seiende zueinander in Beziehung und betrachtet das Gemeinsame zwischen verschiedenen Dingen, um es nach Maßgabe der Ähnlichkeit zusammenzuführen (ἐπιφερέιν ἐκαστον κατὰ τὴν ὁμοιότητα) und zu beurteilen (vgl. Platon: Kratylos).

Der menschliche Wirklichkeitsbezug, ebenso wie die intellektuelle Einsicht, erfolgen Platon zufolge mittels eines vergleichenden und synoptischen Begreifens, wobei zu erwähnen ist, dass das Maximum der Angleichung oder der Teilhabe an dem Sein des Seienden (der Wahrheit) letztlich nicht kraft der Sinne oder durch den Gebrauch von Begriffen gewonnen werden kann, sondern vermittels der Vernunft als einer sie ordnenden und zusammenfassenden Instanz (vgl. Platon: Phaidon).

Im erkenntniskritischen Sinne Hans Blumenbergs werden Sprache und sinnliche Wahrnehmung auch bei Platon als Derivate beschrieben. Schon Platon erkennt den Ausweg aus der defizitären Erkenntnissituation in der dialektischen Verbindung zwischen sinnlichen und philosophischen Prädikaten. Diese vortheoretische Relevanz der platonischen Philosophie für eine reguläre Theorie der Unbegrifflichkeit äußert sich auch in der spannungsvollen aber offenkundig auch supplementär eingesetzten Verknüpfung von Mythos und Logos. 

Wie später auch Aristoteles, betont Platon bereits im Dialog Kratylos das besondere Korrelationsverhältnis zwischen Sprache und Ähnlichkeit. Die schönere Art der Ähnlichkeit, so lässt Platon Sokrates die Untersuchung des sprachphilosophischen Dialoges Kratylos schließen, wird aus geistigen Bildern der Gegenstände gewonnen. Die geistigen Bilder, oder Ideen von den Dingen, gewinnen wir über die Vernunft. 

Auch im Dialog Phaidros gesteht Platon ein, dass es am vorzüglichsten ist durch die Maßgabe der Ähnlichkeit Darzustellen als durch das erste beste (vgl. Platon: Kratylos). Nur wenn die Ähnlichkeiten aus der synoptischen Betrachtung der dialektischen Vernunft hervorgehen (vgl. Platon: Politeia, Buch VIII), dann werden sie auch mehr sein als nur Nach- oder Schattenbilder. Strategisch nutzt oder transformiert Platon an entscheidenden Stellen seiner Dialoge den bildlichen Bedeutungsgehalt bestehender Mythen oder kreiert eigene, künstliche Mythen um die aussichtslose Unerreichbarkeit des Wahren (Hans Blumenberg: Paradigmen zur einer Metaphorologie) durch den Logos zu kompensieren und fixierte Traditionsformen mit der List der imaginären Suggestion zu durchbrechen um sie zu entstandardisieren. Blumenberg bezeichnet die platonischen Mythen deswegen auch als theoretisch durchdachte Überspielungen von argumentativer Verlegenheit, also poetische Ausdrucksmittel, die im Logos durchgemacht werden (vgl. Hans Blumenberg: Höhlenausgänge) um sie zu philosophischen Zwecken einzusetzen (vgl. Hans Blumenberg: Arbeit am Mythos). Blumenberg bringt den platonischen Gehalt der Kritik auf den Punkt, wenn er feststellt, dass Mythen nicht immer auf Fragen antworten, sondern manchmal auch unbefragbar machen. (vgl. ebd.) Mit anderen Worten: „Die Arbeit am Mythos macht die Arbeit des Mythos unkenntlich.“ (ebd.) 

An dieser Stelle verlasse ich nun den Bereich der auf Sprache beschränkten Metaphorik und leite mit Nietzsche und Blumenberg den Übergang in ein Metaphernverständnis ein, das die gesamte Sphäre des menschlichen Agierens und Interagierens einschließt. 

Die im Denken eingeschriebene Metapher bei Nietzsche

FriedrichNietzsche ist einer der ersten die explizit hervorheben, dass metaphorisch hergestellte Analogien sich zu einer für ontologisch wahr gehaltenen Identität (Biebuyck, Benjamin: „Metamorphosen Der Verzweiflung. Philosophie Des Erzählens in Nietzsches Ueber Die Zukunft Der Bildungsanstalten“) verfestigen können. Auf gleichnishafte Weise entlarvt und führt Nietzsche den zur Ideologie manifestieren Manipulationscharakter verschiedener Ausdrücke vor, indem er den mit ihnen verbundenen konventionalisierten Konnotationsgehalt auf provokante Weise nutzt, um ein klärendes Misstrauen gegen die sprachlich erzwungenen Denkweisen, Normen oder Werte zu wecken (vgl. ebd). Mit dem performativ vollzogenen Zugeständnis, dass die Sprache nicht nur metaphernhaltig sondern immer schon von metaphorischen Prozessen abgeleitet ist, verweist Nietzsche zugleich auf den Umstand, dass es keine Möglichkeit zur Außensicht auf das Medium Sprache gibt, d. h. keine Metasprache, die nicht vom selben Prinzip getragen wäre (Simons, Oliver: Literaturtheorien zur Einführung). Kurz: Wir können nicht um unsere Ecken gucken (vgl. Nietzsche, Friedrich: Jenseits von Gut und Böse).

Da sowohl die Voraussetzungen zur Sprachbildung als auch die Folgen derselben aus einer Reihe von vortheoretischen, anthropomorphen und zugleich ubiquitären (überall vorkommend) Übertragungsprozessen hervorgehen, erweist sich der Mensch, auch außerhalb seines sprachlichen Wirklichkeitsbezuges als ein metaphorical animal (Kofman, Sarah: Nietzsche and Metaphor).

Die Sprache der »›Seinsgeschichte‹ belegt, dass ein Metaphernverbot nicht einzuhalten ist. Sie belegt auch, dass jedes Erkennen nur auf einem Arbeiten in den beliebtesten Metaphern [basiert, also einemgeltenlassen logischer Fiktionen], die als ein nicht mehr als Nachahmung empfundene[s] Nachahmen, (Nietzsche, Friedrich: KSA 7) immer schon in der scheinbar legitimen Signatur der Sprache eingeschrieben sind (vgl. Blumenberg, Hans: Paradigmen zu einer Metaphorologie).

Die Metapher in der Sprache. Der frühe Hans Blumenberg

Ähnlich wie Nietzsche vertritt auch Blumenberg ein weites, anthropologisch genealogisches Metaphernverständnis, bei dem der menschliche Wirklichkeitsbezug als ein auf verschiedenen Übertragungen angewiesener thematisiert wird ohne jedoch zugleich die geistesgeschichtlichen, sprachlichen und kognitiven Besonderheiten von Metaphern außer Acht zu lassen.

In seiner frühen Metapherntheorie, die in den Paradigmen zu einer Metaphorologie ihren ersten umfassenden Ausdruck findet, wird die Metapher noch primär, wenn auch nicht ausschließlich, als ein Medium des Denkens und Sprechens vorgestellt. Dabei unterscheidet Blumenberg zunächst zwei Metaphern-Gattungen, denen er jeweils wiederum verschiedene Metaphern-Arten unterordnet. Zur Unterscheidung zwischen diesen Metaphern-Gattungen verwendet er wiederum zwei Metaphern. Die einen nennt er ›Restbestände‹ und die anderen ›Grundbestände‹ der (philosophischen) Sprache. Der zuletzt genannten Metaphern-Gattung wird zugleich die Eigenschaft der Absolutheit zugesprochen. Im Gegensatz zu Metaphern als Restbeständen bleiben diese absoluten Metaphern im Bereich des Metaphorischen, weil sich für die leere Stelle, die sie in unserem Begreifen besetzen, kein terminologischer Ausdruck finden lässt, der uns als Leitfaden dienen könnte, um das Unverständliche begreiflich werden zu lassen. 

Vor allem absolute Metaphern haben daher in einem radikalen Sinn Geschichte, weil sie den theoretischen und pragmatischen Reichtum ihrer Herkunft konservieren d.h. weil sie für die historisch bedingten Prozesse des Wandels der mit ihnen verbundenen Konnotationen, Wertvorstellungen und durch sie vertretenen Wahrheiten, einen entsprechenden Zeugnischarakter besitzen. Die Metaphorologie ist in diesem Sinne wie eine „archäologische“ Suche nach der Substruktur des Denkens zu verstehen. Dabei soll fassbar gemacht werden, wie der Geist aus dem Mut zur Vermutung seine Geschichte entwirft (vgl. Blumenberg, Hans: Paradigmen zu einer Metaphorologie), wie also Ansichten geprägt oder Einsichten vorweggenommen werden, die sich nicht oder noch nicht in unserem Besitz befinden können (ebd.). Zugleich ist die Metaphorologie als eine Methode der Sensibilisierung zu verstehen, mit der die subtilen, subversiven, das menschliche Denken und Handeln auslösenden, blockierenden oder strukturierenden Einflüsse von Metaphern – sowie die damit verbundenen geistesgeschichtlichen Ab- und Hintergründe – erkennbar werden. 

Der Gehalt von Metaphern indiziert dabei die fundamentalen, tragenden Gewissheiten, Vermutungen, Wertungen, aus denen sich die Haltungen, Erwartungen Tätigkeiten und Unfähigkeiten, Sehnsüchte und Enttäuschungen, Interessen und Gleichgültigkeiten einer Epoche regulieren. (ebd.) Möglich ist dies, weil sich mit Hilfe der versinnlichenden Kraft von metaphorischen Ausdrücken eine semantische Eindringlichkeit vom jeweiligen Gegenstand erzeugen lässt, deren Evidenz man sich nur schwer entziehen (ebd.) und die man ebenso schwer leugnen oder ersetzen kann. Die Funktion von Metaphern besteht also nicht nur darin, dass sie als Vorstufe, Erweiterung, Stellvertretung oder Indiz einer Verwandlung der begrifflichen Bedeutungssphäre dient, sondern das sie alternative Begriffe auch ausblenden oder diese in Richtung ihrer Suggestion determinieren kann. 

Der Fall der Metapher. Der späte Hans Blumenberg

In seinen späten Schriften erkennt Blumenberg in der Metapher nur noch einen schmalen Spezialfall von Unbegrifflichkeit (Hans Blumenberg: Schiffbruch mit Zuschauer). Diese Erweiterung des normativen Tiefgangs der Metaphorizität geht über den frühen, in den Paradigmen zu einer Metaphorologie vertretenen Fokus hinaus, mit dem Metaphern vornehmlich als Indizien für Triebkräfte der Geistesgeschichte betrachtet worden sind. Der frühe Blumenberg interessiert sich für Metaphern als Übergänge auf dem Weg zum Terminus und vom Terminus erneut zur Metapher(vgl. Blumenberg, Hans: Paradigmen zu einer Metaphorologie), d. h., als Vollzugsmedien für Transformationsprozesse innerhalb und zwischen der Sprache, die Vorstellungen, Konnotationen und Bedeutungen  verdecken, verstärken, erzeugen oder verändern. 1971 leitet Blumenberg mit seinem Aufsatz Anthropologische Annäherung an die Aktualität der Rhetorik erstmals und mit seiner Theorie der Unbegrifflichkeit endgültig ein Metaphernverständnis ein, dass an anthropologisch-existenzielle Faktoren ebenso interessiert ist, wie an der lebensweltlichen Konstitution als dem ständigen Motivationsrückhalt aller Theorie (Hans Blumenberg: Schiffbruch mit Zuschauer). Vieles, was er zunächst auf den Bereich von Metaphern bezogen oder von ihnen abgeleitet hat, wird nun sowohl auf den gesamten Bereich des Unbegrifflichen, oder theoretisch Vorläufigen ausgeweitet, der beispielsweise mythische Erzählungen oder Anekdoten einschließt, wie auch auf den Bereich des menschlichen Handelns. An einer Reihe von Paradigmen wird der Mensch nun als ein Wesen der actio per distans beschrieben, dessen Verhalten sich insgesamt auch auf etwas richtet, was er nicht vor Augen hat oder haben kann (Hans Blumenberg: Theorie der Unbegrifflichkeit). Blumenberg beschreibt den Menschen dabei als ein Wesen, das aufgrund seiner geistigen und physischen Indisposition, zu präventivem Verhalten genötigt ist, welches sich wiederum an einer ganzen Reihe von sprachlichen als auch nicht-sprachlichen Kompensationsleistungen äussert. 

Anhand weitläufiger, d. h. epistemologisch teils umwegiger historischer Exkurse legt Blumenberg dieses, wie er sagt: normative Prinzip der Ökonomie (Hans Blumenberg: Nachahmung der Natur) des menschlichen Wirklichkeitsbezugs frei, sowohl des physischen als auch des geistigen oder sprachlichen. Der Aspekt der Normativität des ökonomischen Prinzips von Metaphern äussert sich in der ständigen Angewiesenheit der menschlichen Leistungen auf sinnverleihende Vorgriffe der Imagination, mit denen sich noch nicht verstandenes oder unmittelbar unverfügbares zugänglich machen oder eine diffuse Angst in eine bestimmte Furcht überführen lässt, denn oft sind es beängstigende Erwartungen, die zum Widerspruch zwingen: auf abkürzende oder ausschweifende Prozesse zu bestehen, die vielleicht der reinen Rationalität nicht genügen können, aber der in Verlegenheitgeratenen  Legitimität durch vorläufige Lösungen aus der Klemme helfen (vgl. Hans Blumenberg: Theorie der Unbegrifflichkeit). Die Metaphorizität im hier beschriebenen Sinne einer conditio humana ist also nur eines von vielen Kompensationsmitteln, mit denen sich das Unverfügbare durch das Verfügbare, das Unerklärliche durch Erklärlichkeiten ersetzen und die begrenzte Reichweite des menschlichen Handlungsspielraums und seines lebensweltlichen Horizontes auch auf jene Bereiche hin erweitern oder öffnen lässt, die zunächst oder grundsätzlich jeder ontogenetischen oder phylogenetischen Möglichkeit eines unmittelbaren Zugangs- oder Umgangsweise entzogen sind. 

Die Rhetorik, ebenso wie die Metaphorizität, werden von Blumenberg, über den Bereich des Sprachlichen hinaus, als eine apriorische Einflussgröße markiert, die das Denken und Handeln des Menschen insgesamt bestimmen. Der Mensch, so konstatiert Blumenberg, handelt indirekt, verzögert und selektiv. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Beziehung des Menschen zur Wirklichkeit defizitär ist. Der menschliche Weg zur Praxis braucht eine Grundlage, andernfalls gliche das Handeln mehr einer ›Notlösung‹ angesichts des Mangels an Evidenz in Situationen des Handlungszwangs. (Hans Blumenberg: Anthropologische Annäherung an an die Rhetorik) Doch selbst in der Wissenschaft lässt sich noch die letzte Spur von Unsicherheit nicht zum Verschwinden bringen. Wo das Verhältnis aus Evidenzmangel und Handlungszwang sehr stark ist, da treten vermehrt all jene Handlungsalternativen auf, die er rhetorisch nennt. Diese alternativen Handlungen erlauben es, nicht nur die theoretische Orientierung für eine Handlung, sondern auch die Handlung selbst zu ersetzen, also sich das Eine anstelle des Anderen vorzustellen oder das Eine anstelle des Anderen zu tun. (Vgl. ebd.) 

Rhetorik ist in diesem Sinne also ein Ausdruck für all jene Verfahrensweisen, mit denen sich der Mensch auf das Bevorstehende oder Unbekannte einstellt, um den Vorsprung der Selbsterhaltung dadurch auszubauen, [dass er] die Reichweite der Prävention […] erweiter[t]. (Hans Blumenberg: Theorie der Unbegrifflichkeit). Rhetorik braucht nicht verbal, sie kann auch eidetisch, gestisch, rituell, szenisch-inszenatorisch, demonstratorisch sein. (Blumenberg: Nachass Zettelkasten Mythos). Die Rhetorik als Synonym für Metapher wird von Blumenberg, auch hinsichtlich der Temporalstruktur von Handlungen, entweder als Inbegriff der Verzögerung (ebd.) oder als Abkürzung definiert. 

Metapher gilt dabei als das signifikante Element der Rhetorik, weil sich an ihr die Funktion der Rhetorik darstellen und auf ihren anthropologischen Bezug [bringen lässt]. (ebd.) Als ein solches Element verhilft die Metapher dazu jene theoretischen und praktischen Unzumutbarkeiten zu beheben, die sich aufgrund eines Mangels an vorgegebenen, präparierten Einpassungsstrukturen und Regulationen« ergeben. Damit macht Blumenberg einerseits darauf aufmerksam, dass der Mensch stets auf verschiedene Präventions- und Kompensationsformen angewiesen ist und sich dieser bedient, um jene Einflüsse oder Hindernisse zu überstehen, die sich aufgrund seiner verschiedenen Indispositionen ergeben, andererseits macht er deutlich, dass die Grenzlinie zwischen Mythos und Logos, ebenso wie die zwischen Metapher und Begriff, letztlich imaginär (vgl. Hans Blumenberg: Arbeit am Mythos) und auch Begriffe nur Ersatzmittel sind, die mit der Natur der Dinge nichts gemeinsam haben (Hans Blumenberg: Anthropologische Annäherung an an die Rhetorik). Begriffe sind ebenso wie Metaphern das Ergebnis einer Ohnmacht und Bedürftigkeit des menschlichen Intellektes, (Hans Blumenberg: Geistesgeschichte der Technik) beide stehen für etwas ein, das räumlich oder zeitlich abwesend ist (vgl. Hans Blumenberg: Theorie der Unbegrifflichkeit). 

Fazit. Der Stillstand des Toten

Was also ist das Ergebnis dieser Auseinandersetzung? 

Metaphorizität hat eine normative Dimension, die auf sämtlichen Bereichen des menschlichen Lebens wirkt. Auf subtile aber unverzichtbare Weise kann das Prinzip der Metaphorizität, oder allgemeiner formuliert, der Unbegrifflichkeit, aus jenen unglücklichen Situationen heraushelfen, in die uns die Erwartungen und Forderungen unserer Vernunft führen. Auf der anderen Seite kann dieses Prinzip auch in eben solche Erwartungen, Hoffnungen und Forderungen wecken, ohne den Ausweg in die Vernunft zu bieten. Das Unbegriffliche ist Inbegriff einer konstitutiven Dynamik, mit der sich das Denken oder Verhalten regulieren lässt. Das Unbegreifliche, Unvermeidliche, Unerfüllbare oder Unabsehbare ist Teil des menschlichen Lebens. Offenbar ist dieselbe Waffe, eben der Einsatz unbegrifflicher, das heißt auch rhetorischer, Elemente, die Notlösung unserer Vernunft in Situationen der Ausweg- oder Aussitslosigkeit. Wir weinen, wenn der Schmerz zu groß ist, um ihn wegzudenken. Und auch wenn weinen nicht die Ansprüche der Vernunft befriedigt , so erleichtert es doch. 

Solange das Unbegrifliche seine Funktion noch erfüllt, vermag sie selbst dort belebend zu wirken, wo sich Angesichts der demütigenden sowie entmutigenden Widerfahrnisse des Lebens und der Gewissheit über die Begrenztheiten und Unvollständigkeiten, die unserer Natur anhaften, eine Resignation oder Stagnation einzustellen droht. In dieser Hinsicht wirken Unbegrifflichkeiten wie die Metapher gleich einem Pharmakon, bei dessen Nutzung nur das Risiko der Sinn- aber nicht der Nutzlosigkeit in Kauf genommen werden muss. Wie bei der Einnahme von Medikamenten ist es auch hier manchmal am besten, wenn man die Nebenwirkungen nicht kennt. Gesundheit bedarf also nicht zwangsläufig der Mittel der Vernunft, Glück ebensowenig. 

Gesundheit bedarf ebenso wie das Glück der Bewegung. Was sich nicht bewegt und auch keine Bewegung mehr auslösen kann, ist tot. Zumindest ist es scheintot. Das Leben, ebenso wie das Glück und die Gesundheit, vertragen keinen andauernden Zustand der Ruhe, des Stillstandes. Das, was wir einsehen können ohne es verstehen zu müssen, verspricht also die fortschreitende oder zumindest verändernde Bewegung des Denkens. Selbst dort, wo ein Denken aufhören muss, weil seine Mittel scheitern, gibt es die Möglichkeit umzudenken. Das Prinzip der Rhetorik ist dem Menschen eingeschrieben. Zum Überleben brauchten wir eine Alternative zur Wahrheit und begrifflichen Klarheit. Wir brauchten Werkzeuge, mit denen sich selbst der Mangel an Vernunft und die Grenzen dessen, was wir tun und wissen können, überwinden und manchmal auch übergehen ließen. In einem Satz: das menschliche Glück besteht im Überschreiten des Bestehenden und ist somit, ebenso wie die Wahrheit der Metapher, eine vérité à faire (Hans Blumenberg: Paradigmen zu einer Metaphorologie)

September 2013